…zieht rotzefrech in den ersten fünf Minuten das durch, was schlechteren Filmen augenblicklich das Genick brechen würde: er spoilert den Schluss des Filmes und somit das Ende allen Seins, allen Sinns, aller Hoffnung, um dann in guten zwei Stunden eine Geschichte der Depression zu erzählen, die auf genau dieses Ende unaufhaltsam zusteuert. Das müsste nun im allerbesten Fall unheimlich deprimierend, im schlimmsten arschlangweilig sein, doch Lars von Trier gelingt in beiden der zwei sehr unterschiedlichen Filmhälften, dass ersteres selten und letzteres nie geschieht – was ihm, dem großen Provokateur, vielleicht gar nicht so recht sein dürfte…
Es war noch keine Viertelstunde vergangen und ich war schon überglücklich ob des verschwenderisch genutzten Reichtums an geballtem Schauspieltalent, dass sich hier unprätentiös wie selten vor der Kamera versammelt und Menschen zaubert, die fast ohne Ausnahme ihren eigenen Film, zumindest aber ihre eigene Episode verdient hätten, sei es das Melodram mit Charlotte Rampling über die Bitterkeit erkalteter Träume, John Hurts Tragigkomödie über einen alternden Lebenskünstler, Stellan Skarsgårds Satire vom ekelhaften Geschäftsfuzzi oder Udo Kiers Groteske, in welcher er einen überkandidelten Hochzeitsplaner spielt.
Da der Film aber sonst Tageslänge besäße und sein Thema verfehlte, bleibt es bei zwei Blickwinkeln, Kirsten Dunsts Sicht der Kranken in der ersten und Charlotte Gainsbourgs Kampf der Angehörigen in der zweiten Filmhälfte.
Die chronologische Reihenfolge ist dabei durchaus bewusst gewählt, ja, essentiell wichtig für das nicht Absuppen des Ganzen. Dunsts Depression wird inmitten des lauten, bunten, leeren Hochzeitstrubels nicht nur für die Zusehenden erträglich, sondern plastisch, greifbar und verständlich, während der Weltuntergang, der dann mit deutlich weniger Personal und viel ruhiger und unerbittlicher vonstatten geht, aus ihrer Sicht eine reine Symphonie der Traurigkeit wäre, was Gainsbourg als unendlich müdes, aber resolutes Familienoberhaupt bis kurz vor Schluss abwenden kann. Und wären diese beiden Frauen die letzten spielfähigen Menschen auf der Welt, nach diesem Film wäre es mir recht. Wahnsinnsperformance! Was die Leistung von Kiefer Sutherland, der sichtlich darin aufblüht, mal nicht irgendjemanden erschießen zu müssen, nicht schmälert.
Nun sollte Lars von Trier annähernd immer gemutet werden, wenn er in der Öffentlichkeit den Mund aufmacht, spannend finde ich es aber doch, dass er sich missmutig darüber äußerte, der Film wäre ihm verrutscht und für seinen Geschmack zu harmlos, zu sanft geraten. Wenn er das wirklich glaubt, dann ist dies ein Paradebeispiel dafür, dass gute Kunst größer ist als der Geist, der sie erschuf, gelingt ihm doch hier über sehr weite Strecken ein Ding der Unmöglichkeit: ein Film über Depression, Hoffnungslosigkeit und das Ende der Welt, der natürlich tieftraurige und durchaus depremierende Elemente besitzt, bei dem aber ohne, dass irgendwie klar wäre, woher sie kommt, was sie will und warum sie überhaupt da sein darf, eine sehr leise, aber nie totzukriegende Heiterkeit überwiegt, die letzten Endes stärker ist als alle alles auslöschenden Riesenplaneten.
D.C.L.