…behandelt die Konsequenzen, die „Avengers Endgame“ auf seine Welt haben müsste, nur seeehr homöopathisch – wahrscheinlich, weil deren Implikationen, falls ernstgenommen, einen wesentlich düsteren Film hervorbringen würden – und begibt sich lieber wieder auf das vertraute Terrain der Highschool-Komödie mit allem, was dazugehört. Dass diese immer wieder vom obligatorischen CGI-Krawumm unterbrochen wird, stört mich viel weniger als noch bei „Homecoming“, weil der Umstand, dass die Schausplätze, bevor sie im Computer puttgemacht werden, zuvor allesamt in Echt gefilmt wurden, diesen eine gänzlich andere Haptik und Wichtigkeit verleiht als die letztlich nicht greifbaren Welten der letzten MCU-Filme, und auch das Spiel eines blutjungen Casts verbessert, der sich sichtlich freut, mit der Gondel durch Venedig zu cruisen und in Prag Karneval zu feiern – wie ich spätestens seit Tom Cruise vor dem Abgrund des Hochhauses in Dubai nicht müde werde zu erwähnen, gibt es Dinge, die man nicht spielen kann, wenn sie nicht da sind, sei es die kaum und doch so stark wahrnehmbare Reaktion des Körpers auf die echte Tiefe oder wie hier das innere kindliche Grinsen, in einer der ältesten, schönsten Städte der Welt zu sein – beides kann man irgendwie „herstellen“, der Effekt wird nie so glaubhaft sein.
Was die Effektorgien aber am Ende komplett legitimiert, sie gar zu einer reinen Freude werden lässt, ist die Metaebene, mit der sie im Film selbst besprochen werden – neben ein paar sehr komischen Spitzen gegen das eigene Mantra, immer wieder alles im großen CGI-Gewitter untergehen lassen zu müssen, hat diese Ebene aber auch noch erstaunlich viel Substantielles zu sagen. Ich hätte von diesem Film viel erwartet, aber ein derart klarer, gar cleverer Kommentar in Bezug auf Fake News, Alternative Facts und was diese aus uns machen ist so unerwartet wie erfreulich. Spätestens bei einem großartigen, auf so vielen Ebenen funktionierenden Cameo in der Midcredit-Sequenz macht „Spiderman – Far From Home“ keinen Hehl mehr daraus, gegen wen sich diese Kritik explizit richtet. Wer in den letzten Wochen auf YouTube mal ein wenig in Sachen Deepfake recherchiert hat, kann unschwer erkennen, dass wir dahingehend auf Zeiten zusteuern, die nicht lustig werden.
Würde alles aber natürlich nicht funktionieren, wäre dies nicht in der Hauptsache ein sehr komischer, sehr herzlicher Film über das Heranwachsen, getragen von einem durch und durch brillanten Tom Holland, unterstützt von einem extrem gut aufgelegten Ensemble.
Das MCU hat auch nach dem vorläufigen Abschluss seiner „Avengers“-Saga einen klar hörbaren Puls, gerade weil es nicht versucht, alles Dagewesene zu toppen, sondern einen Schritt zurückgeht und wieder liebevoll und genau Figuren aufbaut – ein Erfolgsrezept, welches ihm vor zehn Jahren schon einmal einen gigantischen, anhaltenden Erfolg bescherte.
Dass es mit den Themen, die es nebenbei erzählen möchte, immer mutiger wird (siehe auch „Black Panther“ und seinen in die DNA eingravierten Kommentar in Sachen Kolonialismus), freut mich dabei sehr.
D.C.L.